„Und bitte auch keinen schwarzen Tee – Koffein ist nämlich schlecht für die Zähne“

Es ist Montag morgen acht Uhr fünfzehn und ich befinde mich einmal mehr im Warteraum der Zahnarztpraxis. Und ich will hinzufügen „meines Vertrauens“ und bemerke sofort, dass sie mein „Vertrauen“ noch gar nicht bekommen haben kann. Ich war ja erst zweimal da...

Ich befinde mich also im Warteraum der Zahnarztpraxis meines fast Vertrauens...

Dieses Mal mit dem festen Vorhaben meine Kleidung nicht mit Angst zu durchschwitzen, also nicht nur äußerlich sondern dieses Mal auch innerlich keine Panik zu fühlen.

Als ich in das Behandlungszimmer sehe und den Zahnarztstuhl erblicke, sinkt mein Herz in die Hose, mein Puls beschleunigt sich rapide und in Sekunden läuft meine letzte Zahnarztsitzung vor meinem geistigen Augen ab.

Hilfreich ist das nicht.

In meiner „Kauleiste“ pulsiert mein Herzschlag.

Eine Woche Kartoffelbrei aus der Tüte, Joghurt aus dem Becher und Suppe aus der Dose sind nicht wirklich gute kleine Helferchen, um meiner nackten Angst eine gute Herrin zu werden. Ihr die Leine anzulegen und soweit zu zähmen, dass sie wenn auch nicht besiegbar, so doch zu mindestens domestizierbar erscheint.

Doch dafür bin ich nicht da. Nicht um etwas für „gegen die Angst“ zu tun. Sondern ...

Ich bin für etwas anderes da.

Für etwas, was sich „Professionelle Zahnreinigung“ schimpft und bedeutet, wie ich nach einer Stunde und fünfzehn Minuten weiß, dass man über eine Stunde ruhig zu liegen und geduldig immer wieder Schmerzen und schlechte Geschmäcker im Mund zu ertragen hat.

(Wer hört schon gerne den Satz:

„Das fühlt sich jetzt ein bisschen wie Sand an – im Mund“?!)

Es bedeutet weiterhin sich einige Lektionen über die Zahnreinigung an sich

(„zweimal am Tag sollte schon sein“)

und im speziellen

(„Das eine Ende der Zahnseide mit Mittel- und Zeigefinger festhalten und dabei das andere Ende von Zahn zu Zahn hin abrollen, so dass Sie mit immer wieder einem neuen Stück Zahnseide durch die Zähne gehen. Sonst ist das gar nicht gut für die Zahnzwischenräume!!!“)

anzuhören und dabei immer wieder zu denken, dass mit Zahnpflege an sich und überhaupt keineswegs zu spaßen ist.

(Der Witz „Mit zwei Zähnen weniger haben Sie ja auch weniger Arbeit“ hat nur zur Folge, dass man mitleidig angesehen und hernach der Kopf geschüttelt wird, ein tiefer Seufzer aus der Prophylaxe Seele ertönt und fast flüsternd gesagt wird: „Das tut mir nur sooooo leid für ihre Zähne“)

Und wenn man nach der umfangreichen Belehrung zur Zahnhygiene entgeistert sagt:

„Ich soll also zuerst Zähne putzen, dann Zahnseide benutzen, dann eine Mundspülung machen und danach noch diese Fluorid Paste auftragen?“ und dabei denkt: "Ich habe tatsächlich auch noch andere Dinge zu tun - wie beispielsweise Fernsehen oder Schlafen".

Bekommt man nur zur Antwort:

„Ja. Aber die Fluorid Paste nur einmal die Woche. Nur EINMAL die Woche.“

Wobei man wiederum entgeistert denkt: Wer hat denn dazu die Zeit und die Struktur und überhaupt die Zeit und Struktur ...Und sehe mich mich jeden Tag fragen: "Ist das jetzt ne Woche her oder doch erst zwei Tage? Das Ding mit der Fluorid Paste?"

Aber der große Clou wartet noch auf einen:

„Wenn Sie das machen, dann verspreche ich ihnen, dass sie nie wieder Karies bekommen.“

Ich bin verblüfft. In mir flackert die Hoffnung der Hoffnungslosen und ausserdem jede Menge Kriminalserien, wo der Chefermittler dem weiblichen Opfer sagt: „Ich verspreche ihnen: Das Schwein kriegen wir." - wobei er leider regelmässig eben jenes Schwein halt nicht kriegt...

Aus diesen Gründen sage ich ziemlich verdattert:

„Das würden sie mir versprechen?“

„Ja.“ Sie nickt bedeutungsschwanger. „Das würde ich ihnenen...“ Kunstpause und tiefes Atemholen „...versprechen.“

Die Hand drauf hat sie mir jedoch nicht gegeben. Ich habe sie auch nicht verlangt.

Mit professioneller Zahnreinigung ist einfach nicht zu scherzen, spassen, witzeln – oder was auch immer.

Professionelle Zahnreinigung bedeutet aber auch, dass man der Welt für ein paar Stunden (oder Tage) mit perfekt polierten Zähnen entgegentritt.

Und wenn das 90 Euro nicht wert sind, dann weiß ich tatsächlich nicht, was es sein sollte.