Nach sechs Tagen von buntem Regenschirm aufhalten und Menschen auf Englisch tot sabbeln
(Ich wurde des öfteren für eine Französin gehalten, was wohl nicht auf mein Aussehen, sondern vielmehr auf meine miserable Artikulation zurückzuführen ist) hatte ich nun endlich meinen ersten freien Tag.
Doch er begann miserabel.
Meine Vermieterin hat es nämlich unterlassen mir zu sagen, dass am frühen Montag morgen die Maler kommen und so wurde ich von dem Satz:
„Sie hat gesagt, dass der Waschraum unten offen ist“ geweckt und nach einem kurzen Blick aus dem Fenster, duckte ich auch schon wieder unter.
Wen verwundert es, wenn der eine Maler aus Texas kommt, zwei Meter gross, bullig und schwarz ist und der andere Maler aus Mexiko kommt, von unten bis oben tätowiert ist, lange Haare und einen wilden Blick hat.
Und das ohne Kaffee in den Venen. Ohne Nikotin in den Adern. Ohne Vorwarnung. An meinem freien Tag.
Vage erinnerte ich mich an den Texaner ... War da nicht irgendein Yardsale, wo er sich an meine Vermieterin wandte und ihr sagte: „Sie sind Makler?Ich bin Maler“ und sie „Ich brauche einen Maler.“. Haben sie nicht vor etwa einer Woche Nummern ausgetauscht?
Richtig.
Es ist Bruno (und ein Freund von Bruno) und nachdem ich von ihnen unbeobachtet einen Kaffee in mich hineinstürzte und langsam wach wurde, machte ich ihnen auch einen Kaffee. Doch statt mich zu ihnen hinauszubegeben, schlumpfte ich mich auf die Couch und hing über meinem Buch herum. Bis ich beschloss doch aufzubrechen und irgend etwas zu tun.
Mit schlechter Laune zuhause zu bleiben könnte ich mit einem Fernseher. Doch da ich keinen Fernseher habe und in der Stadt Vancouver bin, beschloss ich mich aufzumachen.
Auf zum Aquarium.
Und da justamente meine Vermieterin mit extrem guter Laune und einer extrem hohen Stimme (die sie immer hat, wenn sie gute Laune simuliert) in meine Wohnung hineinstürzte und laut „Good Morning“ flötete und daraufhin „I have to go. Do you want to come with?“ und einen extrem geschäftigen Eindruck machte, dachte ich bei mir: „What the hell...“ und stieg mit ihr in ihren weissen BMW Cabrio.
(Wenn sie allerdings gekommen wäre BEVOR ich meinen Kaffee getrunken hätte, vermögen nur meine Eltern oder intimen Freunde zu beurteilen und soll hier lieber nicht beschrieben werden)
Und so strandete ich in NorthVan – also North Vancouver, was auf der anderen Seite des Flusses liegt und setzte mich erstmal mit meinem Buch an den Kai. Nein. Erstmal kaufte ich mir noch einen Kaffee und DANN setzte ich mich mit meinem Buch an den Kai und las ein Stündchen.
Bis mich eine nette ältere Dame unterbrach:
„Hast du gerade Mittagspause?“
„Nein. Ich habe heute meinen freien Tag.“
„Aha.“
„Und was arbeitest du?“
„Naja. Im Zirkus. Aber das ist zeitlich begrenzt.“
„Ohhh... vielleicht habe ich dann einen Job für Dich?“
„Wie bitte?“
„Naja. Wir helfen Menschen, die sich in Schulden gestürzt haben. Wir helfen ihnen da wieder herauszukommen. Leider ist das viel zu häufig der Fall. Ich gebe Dir mal meine Telefonnummer. Wärst du interessiert?“
„Das weiss ich nicht.“
„Natürlich weisst du das nicht...“
Nach noch ein wenig Geplänkel machte sie sich auf zum Seabus (was nüscht weiter ist als die Priwallfähre ausschliesslich für Passagiere) und ich las noch ein kleines bisschen weiter.
Schliesslich nahm auch ich eben jenes Fortbewegungsmittel und kam neben einem ca 50jährigen Mann zu sitzen, der laut in sein Handy schrie.
„Du hättest dir das früher überlegen können. Man wacht mit Rückenschmerzen auf. Dann hättest du mich um sieben anrufen können und nicht eine Stunde bevor deine Schicht anfängt.“
Er wühlte in seinem Adressbuch herum und als eine Nummer herausfällt und ich sie ihm gebe, sagt er nur: „Wahrscheinlich die Nummer von irgendeinem Arbeiter von mir.“
„Aha.“ Ich nicke verwundert mit dem Kopf.
Er erklärte mir dann, dass er eine Firma für die Vermittlung von Barkeepern leitet – mit ca 500 Angestellten und dass Vancouver Arbeiter einfach viel zu verwöhnt seien, weil sie immer einen neuen Job finden würden. Das sei in New York anders. Er käme aus New York. Sei auf Long Island aufgewachsen. Und überhaupt.
„In Downtown ist jetzt bestimmt die Hölle los!“, sagt er dann unvermittelt.
„Warum?“
„Hast du nichts von dem Stromausfall gehört? Wir haben das in New York ja alle Naselang. Und hier machen die immer ein Riesending draus.“
„Ohh...“
Als er dann von Barkeepern und deutschem Bier anfängt
„Barkeeper haben keine Rückenschmerzen. Wenn sie welche haben, dann müssen sie halt früh anfangen zu trinken. Dann hören die Rückenschmerzen auch schon wieder auf. Deutsches Bier ist gut dafür. Aber der deutsche Eiswein ist der Beste. Der deutsche Eiswein ist tatsächlich Eiswein. Hier in British Columbia tun sie so als wäre es Eiswein. Dabei tun sie die Trauben nur in den Tiefkühler.“
höre ich nur noch erstaunt zu.
Tatsächlich ist Downtown relativ ausgestorben. Die Geschäfte sind geschlossen. Die Ampeln sind ausgefallen und mir wird erklärt, dass es sich um ein elektronisches Feuer handeln würde.
Die Busse (die elektrische Oberleitungen haben) fahren nicht und die Menschen sind trotz allem relativ gelassen.
Ein paar Blocks gen Süden funktioniert der Strom jedoch und dort hole ich mir dann mein vegetarisches Sushi.
Als ich dann in nem Park herumliege und lese, das gesunde Zeugs in mich hineinstopfe (denn anders kann man Sushi doch nun wahrlich nicht essen) und mir von wildfremden Menschen:
„Möchte hier jemand eine kostenlose Wasserflasche?“
ein Getränk ausgegeben wird, bin ich restlos ausgesöhnt... Und morgen habe ich noch einen freien Tag...
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