Triumph Street, Open House und "Ach - hier ist der PNE?!"

Seltsamerweise verfällt man in ein "Ich will was erleben" Faszinosum, was eigentlich so gar nicht meiner Persönlichkeit entspricht.
Eigentlich bin ich doch ein Couchpotatoe Menschlein, was gerne Dvds oder Unterschichtenfernsehen schaut, dabei Pringles extra scharf knabbert und zufrieden damit ist, wenn es für ein paar Tage mit niemandem spricht.
Hier ist es anders. Hier wird mir fünfzig Mal am Tag bewusst, dass ich in Vancouver bin und ich die verdammte Pflicht habe, etwas zu erleben.

Vorgestern - nach dem kleinen Port Moody Abenteuer - bin ich in das Triumph Haus eingezogen. Bei Ankunft waren einige Freunde von Betsy (Wer ist nochmal Corey und wer ist nochmal Gary? Rita, Yvette und Jocelyn kann ich mir da besser merken) da und brachten das Haus auf Vordermann.
Sie putzten und räumten herum und da ich immer im Hinterkopf hatte, dass Betsy uns mit nach Whistler genommen hat und in ihrem Haus hat wohnen lassen, krempelte ich die Ärmel hoch und putzte.

Ich putzte - die 19jährige Schwedin war zu angeekelt von relativ normalem Schmutz - und da ich ihr Gesicht, was nicht nur eine extreme Vorwurfshaltung ("Sie verlangt von uns zu ... putzen?!?"), sondern auch so eine pubertäre prinzipielle Angefressenheit ausdrückte, zwang ich sie nicht dazu, sondern hielt sie dadurch bei Laune, dass ich ihr Auftrug mir Witze zu erzählen, während ich putzte. Das war jedoch auch zu meinem Schutz, denn dieses Gesicht, was Ekel, Langeweile, Wut und das verwöhnte Gör gleichzeitig ausdrückte, ging mir noch viel mehr auf die Nerven, als dass sie nichts tat.
Lieber mit nettem Gesicht nix tun als mit dem oben in Ansätzen beschriebenen Gesicht nichts wirkliches zu schaffen oder (noch besser) alle paar Sekunden zu sagen: "Gross. It is soooo gross.". Sie erzählte mir also versaute Witze. Was okay war. Arbeitsteilung halt.

Danach fuhren wir gemeinsam mit Rita, die mir so eindeutige Avancen machte, dass ich verschreckt auf meinem Autositz immer weiter nach rechts rückte, in ein Seafood-fastfood Restaurant. Die anderen sind in anderen Autos gefahren. Die ganze Bagage trank einen Krug Bier, aß Fish (Heilbutt) und Chips (selbstgemachte) und ich rückte immer weiter von Rita weg und versuchte keinerlei Signale in irgendeine Richtung zu senden.
Was schwer viel. Denn da hätte ich schon mit dem Reden aufhören müssen. Oder mit dem Rita ansehen, wenn sie etwas erzählt. Und sie erzählte ... VIEL... Der Unterschied zwischen dem Westend und WestVan (so nennen sie es) zum Beispiel. Das liegt wieder irgendwie an den Himmelsrichtungen - und was weiß ich...

"Worin bist du denn gut?", fragte sie mich in ihrer langsamen Redeweise (eigentlich kommt sie aus Calgary, was ich tatsächlich heraushören konnte - nun nicht die Stadt, aber der Unterschied zu Jocelyn und Betsys Tonfall wurde mir schon deutlich)
"Hmmm. Ich weiss nicht."
"Aber du musst doch in irgendwas gut sein?"
"Hmm. Ich bin gut in Denken.", sagte ich. Da ich ehrlicherweise nicht genau wußte, was sie meinte.
"Da hat sie recht.", verteidigte mich Betsy. "Sie ist sehr gut im Denken. Sie hat mich auf der ganzen Fahrt nach Whistler entertaint."
"Hm." Rita war nicht zufrieden und ich fragte:
"Worin bist du denn gut?"
"Ich bin gut in Mathe und in Verkaufen von Prospekten!", sagte sie und hakte weiter nach. Anscheinend war es ihr ganz und gar fremd, dass man nur im Denken gut sein könnte - und in nichts anderem. Aber was anderes habe ich auf der Uni nunmal nicht gelernt. Vielleicht noch sich selbst organisieren, seinen Stolz in die Tasche packen, nur auf sich selbst zu vertrauen und so einen Schnick-Schnack. Aber ich kann nunmal in der fremden Währung überhaupt nicht zählen. Mathe konnte ich noch nie. Und Prospekte habe ich noch nie verkauft.

Um noch ein eindeutiges Signal zu geben - nämlich dass ich keineswegs und überhaupt und ganz und gar nicht an einer Liason mit ihr interessiert bin - bin ich dann mit Betsy und Jocelyn heim gefahren. Was zwar nicht sehr nett war, denn Betsy war stinksauer auf Jocelyn, die ihr Haus nicht wirklich in einem reinlichen Zustand hält, bzw. gehalten hat, währendJocelyn (im betrunkenen Zustand) lauthals ausrechnete wieviel Geld sie (für nüscht) diversen Putzfrauen gegeben hat. Sie rechnete und rechnete (und auch Jocelyn kann nicht rechnen), bis Betsy sie unterbrach:
"Du vergisst, dass du ab und an auch mal wieder Dreck produzierst. Es bleibt nicht sauber, wenn man einmal in der Woche ne Putzfrau zur Hilfe hat."
Ich war mucksmäuschenstill auf der Rückbank. Vielleicht wäre die Fahrt mit Rita dann doch irgendwie "okayer" gewesen...

Am nächsten Morgen stand ich um neun auf - wiederum um zu putzen und erstaunlicherweise bat mich Betsy darum die Küchenschränke auszuputzen.
Nachdem ich in einer halben Stunde drei kleine Schränke (von vielleicht 20) geputzt hatte, gab ich es auf und beschloss für mich ganz allein (Betsy war Blumen kaufen), dass es jetzt genug sei und grösser gedacht werden müsste. Wenn "open house day" sein muss, dann müssen sie nicht in die Schränke sehen, sondern die Fassade muss blinken und blitzen.
Und so putze ich die Aussenseite der Schränke, den Fußboden und den Kühlschrank ... und - und ... Die Ecken des Schreckens waren genauso schlimm wie in meiner Bockenheim Wohnung und damit wiederum nur ein drittel so schlimm wie das Chinesenhaus - jedoch muss man mal klarstellen:
ICH WILL NICHT MEHR PUTZEN HIER!
Ich bin nicht zum Putzen in Fucking Canada!

Der "Open House Day" gestaltete sich relativ zwanglos.
Yvette (sie war einst ein Pflegekind von Jocelyn und wohnt noch immer dort), Jocelyn und ich saßen vor dem Haus auf Gartenstühlen, rauchten, redeten und lernten uns kennen. Ab und an kam eine aufgeregte Betsy mit potentiellen Käufern vorbei, hatte ihr professionelles Gesicht auf und grinste und zu.
Einmal kam sie auf Yvette und mich zu und sagte: "Wenn euch jemand fragt, wie es ist hier zu leben, dann sagt ihr: Das ist persönlich. Aber da drinnen ist der "Realtor", der wird ihnen alle Fragen beantworten!"
Das war es aber auch schon... lesen in Gemeinschaft und warten, dass man wieder ins Haus darf.

Letzlich bin ich dann noch mit Simba spazieren gegangen, habe mich verlaufen und den PNE entdeckt. Wildfremden Menschen gesagt: "I am lost. Help me." und mir wurde geholfen. Mit einem Chinesen geredet, der nicht wirklich gut Englisch konnte und über die Pferderennbahn quasi gestolpert.
JA - ich wohne an einer Pferderennbahn und am Wasser und an Playland...

Heute war der erste Tag, wo Ruhe war - abgesehen von dem Erstellen eines Lebenslaufes und des Abschicken desselben an einige Firmen und einer kurzen Stippvisite in der Stadt, wo mich ein Behinderter fragte:
"Wie spät ist es?"
"Ich weiss nicht." Und er zückte seine eigene Uhr.
"Es ist vier. Was für ein Tag ist heute?"
"Montag."
Und so schnell wie ich es nicht hätte ausrechnen können sagte er:
"Dann ist in sechs Stunden Dienstag."
"Ja.", konnte ich nur sagen, denn was wahr ist - ist wahr.

Das Warten und wenn bis morgen früh keine Antwort gekommen ist (ja - ich bin ungeduldig), dann werde ich wohl in die Jobsuchfirma gehen.
Ein Job muß her...
Zwei Wochen Touristin reichen...

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

ich hab doch den spektakulären anfang von der neuen gülcan-show verpasst und du bist nicht mal online-unglaublich!da kann man ja nur sagen bis morgen früh oder eher bis morgen abend für dich!sei geherzt und gedrückt aus dem schönen norddeutschland yvonne