Und das erste was Barbara – der Kanadierchinesin – dazu einfiel war Karaoke.
Und weil ich von meiner neunzehnjährigen Ex-mitbewohnerin gelernt habe, dass man in einem fremden Land immer hübsch zu allem „Ja, gerne!“ zu sagen hat, sagte ich auch hier: „Ja, gerne“ und befand mich in gefühlten Millisekunden nach der Arbeit mit meinem Chef in seinem Volvo Richtung Downtown.
Fast entschuldigend erklärt er mir, warum er sich für ein schwedisches Auto und nicht für ein deutsches Auto entschieden hat. Mich interessiert das weniger. Vielmehr bin ich damit beschäftigt ihm einen Bonbon gegen seinen unglaublichen Mundgeruch aufzuzwingen und der Musik die er hört zu lauschen. Irgendwas mit „Freiheit“ und „Liebe“ und so....
Mein Chef ist ein massiver Perser. Ich weiß nicht, wie man es besser umschreiben kann. Er ist halt massiv und er ist ein Perser. Und er hat Mundgeruch und es gab im Vorfeld einige Verwerfungen, weil er nicht nur eingeladen wurde, sondern auch noch zugesagt hat.
„Er ist der Manager.“, klang es von allen Seiten. „Wir können nicht mit dem Manager Spass haben!“
Mir ist das alles genauso egal, wie es mir egal ist, dass der Manager kein deutsches Auto hat, oder dass ich viel lieber nach Hause gegangen und noch einen Klassiker auf dem grandiosen Fernsehsender TCM gesehen hätte ...und ich schaue aus dem Fenster und sehe wie der Stanley Park an mir vorbeirrauscht.
„Nun ja. Socialize. Ich socialize mit meinen Kollegen. Das ist was, was man macht.“
Bald gehen wir beide die Robson Street auf und ab. Die Straße die in Vancouvers Anfängen die deutsche Strasse war und weswegen es auch noch immer ein „Robson Hefeweizen“ gibt.
Zunächst finden wir es nicht, aber dann stehen wir vor einem abgewanzten chinesischen Supermarkt und ein Zeichen sagt: „Karaoke im ersten Stock.“
Wir warten ein wenig und nach einiger Zeit trudeln Aurelie, Edgar und Barbara ein.
Nikolaas kommt nicht. Nikolaas weiss gar nicht, wann es losgeht und Nikolaas fehlt...
Mir...
Der gute europäische Abstand zu allem. Gut – Gut – vielleicht sollte ich „nordeuropäischer Abstand“ sagen.
Wir kaufen in dem chinesischen Supermarkt Chips und Süßigkeiten, die wir zu einem verbilligten Preis mit in den ersten Stock nehmen dürfen.
Mir kommt es so vor, als wären alle chinesischen Chips in Shrimpöl getränkt – oder die Chips sind gar keine Chips, sondern getrockneter Oktopuss – oder was auch immer.
Ich kaufe Maischips und Cracker. Das scheint mir die sicherste Variante.
Wir erklettern den ersten Stock, wo es nicht nur eine Karaoke Bar, sondern auch einen „One Dollar Store“, eine Bücherei, ein Reisezentrum und einen Internetzugang gibt und reden mit der unmotivierten Frau, die das Ding leitet.
„Aha. Ihr seit fünf. Okay. Ihr müsst was zu trinken bestellen.“
„Okay...“, sagt Barbara eifrig. „Was ist denn gut?“
„Ich habe keine Ahnung ich trinke hier nicht!“
„Aha.“
„Dann nehme ich nen Sake.“
„Und ich nehme Bier.“, sage ich und denke, dass ich mindestens eins oder zwei oder aber drei oder vier brauche.
Der Boden der Karaoke Box klebt.
Das ist das erste was mir auffällt.
Er klebt.
Der Tisch und die Ledercouch kleben nicht. Nur der Boden.
Und es gibt zwei Auswahlmöglichkeiten an Liedern.
Japanisch und Englisch.
Yeah – Yhipphi – Yeah. Wir nehmen dann doch englisch. Und ich bedauere, dass weder Frank Sinatra (denn was hätte mehr gepasst, als I did it my way) noch Johnny Cash vorhanden sind.
Wir breiten die Snacks auf den Tisch aus, warten auf das Bier und fangen an Lieder auszusuchen.
Und wenn ich meine Kanada-Chinesen Arbeitskollegin vorher schon mochte, so mag ich sie nach dem Karaoke Abend noch viel mehr.
Wenn ein Lied kommt hüpft sie nach oben, stellt sich hin und singt laut Celine Dion „I will always love you.“ oder diese Disney Lieder ...
Wo sie ganz selbstverständlich annimmt, dass JEDER den Disney Herkules Film gesehen hat und unglaublich verwirrt ist, wenn ich ihn nicht kenne und deshalb auch die Lieder nur halb (weil sie so einfach konstuiert sind) mitträllern kann.
Denn eigentlich singen alle alles.
Keiner ist sich zu schade (nachdem wir den „Manager“ dazu gebracht habe sich ein wenig locker zu machen) und wir geraten in einen Kleinkrieg mit der Karaoke Box nebenan, die noch ein wenig lauter sind als wir.
In diesem abgewanzten Haus in dieser abgewanzten Karaokebox...
Gerne wieder...
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