“Auf vielfachen Wunsch werden wir heute unsere Pause auf die Zeit legen, in der Obama seine Rede hält.”, sagt Pat oder Matt oder Rick oder Dick ... jedenfalls der Typ im Callcenter, der das Mikro in der Hand hält und seine Kollegen anfeuert, damit sie mehr Rentner über den Tisch ziehen.
Ich freue mich... Kann es tatsächlich sehen.
Ein historischer Moment, wie ich denke.
Doch als es 9 Uhr ist, meldet sich mein Magen und ich wäge ab.
Will ich die Rede hören oder will ich mir einen Muffin beim “Save on foods” kaufenn.
Ich entscheide mich für letzteres, rauche eine Zigarette und sehe im Essensraum Aretha Franklin singen und den Vizekanzler vereidigt werden,
Die andere Marianne, eine um die sechzigjährige Exkölnerin, sagt:
“Da kann isch aber besser singen.” und
Paula – die Köchin des Saftladens – wischt sich die Tränen aus ihren Augenwinkeln.
Ich persönlich fühle mich an den Papst erinnert. Also an den toten Papst, als mit viel Pomp seine Beerdigung bestaunt wurde und mit bangem Blick auf grauen Rauch aus dem Vatikan gewartet wurde.
“Die Amis wissen wie es geht.”, saage ich laut und bemerke nach einem raschen Blick auf die Uhr, dass ich mich wieder auf meinen Arbeitsplatz begeben muß.
Kaum sitze ich, gehen die Arbeitslichter an, was das Zeichen der kollektiven Pause ist.
Die Salespeople haben Pause.
Die Order Verifier müssen sitzen bleiben.
Keine kollektive Pause für uns.
Ich entsinne mich jedoch darauf, dass mein Mp3 Player über ein Radio verfügt, justiere es flugs und stöpsel mir die Obama Rede in die Ohren.
Ab und an sage ich: “Er ist gut!” und ab und an lächele ich vor mich hin.
Daniella. Die Mexikanerin die neben mir sitzt und die mich nicht mag (warum auch immer – nach einigen Wochen habe ich beschlossen diesen Umstand und somit sie weitestgehend zu ignorieren, was mir je nachdem wie dick mein Fell am jeweiligen Tag ist auch teilsweise gellingt) flüstert mir zu:
“Lass dich nicht erwischen. Wenn die das sehen kriegst du Ärger.”
“Oh. “, sage ich nur leise.
“Und ich weiß wovon ich rede.”, sagt Daniella und lächelt mir zu.
Vielleicht mag sie mich ein bissschen, denke ich und verkneife mir diverse Antworten auf ihre Warnung.
Von
“Aber jetzt ist ein historischer Moment.” bis zu “Es sind hier sowieso keine Bestellungen vorhanden, die bestätigt werden müssen.” oder “Ich muss die Rede hören.”
Alle diese Sätze werden nicht gesagt, sondern schlichtweg weiter zugehört.
Es ist nicht von “Change” die Rede.
Es ist vielmehr von dem “Besinnen auf die amerikanischen Tugenden” die Rede.
Es ist eine Eichung auf eine schwere Zeit, eine Einschwörung Amerikas auf die Rezession, eine Verbrüderung gegen den quasi Krieg ...
Den Krieg jedes und jeder Einzelnen gegen Hypotheken, Schuldenberge und so weiter.
Eine ernste Rede...
Und ich sage:
“Wetten dass das letzte Wort “Change” ist?”
und verfolge gespannt seine Rede.
Meine direkte Vorgesetzte kommt aus ihrem kleinen Büro und fragt:
“Wo sind sie alle?”
“Obamas Rede” die Antwort und sie verschwindet schnell wieder.
Die neunzehnjährige Vanida kommt mit Mr. Noodles, was sie mit kochendem Wasser aufgeschüttet hat, an ihren Arbeitsplatz zurück und es entspannt sich (während ich noch immer der Rede lausche) ein angeregtes Gespräch mit Daniella darüber, ob Mr. Noodles das hält was es verspricht, oder ob andere Marken nicht schlichtweg besser seien.
Fassungslos möchte ich sie schütteln und sagen:
“Ihr verpasst den Moment.”
“Ihr verpasst Geschichte.”
Aber ich sage es nicht – bin ja nur eine arrogante Deutsche – halte die Klappe und höre weiter gebannt zu.
Gegen Ende wird es langweiliger...
Man merkt, dass Obama seine J.F.K. Rede gelesen und zum Vorbild genommen hat.
Amerika soll ..dienen
Und mir fehlt eigentlich nur, dass er noch sagt:
“It is not what the country can do for you. It is what you can do for your country.”
Sagen tut er es nicht, aber er meint es...
Und die Rede ist vorbei, ich stöpsele mein Radio aus den Ohren, sehe auf meinen Bildschirm und fühle mich seltsam leer...
Und ich habe die Wette verloren...
von “Change” war kein einziges Mal die Rede.
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