tofino

Tofino, Tofino, Tofino

Seit ein paar Monaten, eigentlich seit September letzten Jahres klingt mir der Ort Tofino im Ohr. Einige Male durch Internetsuchmaschinen hingeträumt, einige Male fast die Koffer gepackt, einige Male als einzige mögliche Ausflucht erdacht.
Jetzt habe ich die Greyhoundbustickets in meinem Rucksack und versuche das lautstarke Heimkommen meines Mitbewohners und seiner Beziehung zu ignorieren.
Wie immer, so bin ich auch an diesem Tag um vier Uhr dreißig aufgestanden, habe mich zur Callcenterhölle gequält, hatte einen unsäglichen Tag mit der geheimen Freude, dass ich die
Mexikanerin, die mich nicht mag niemals nie wiedersehen muß, da sie – wenn ich wiederkomme – im Urlaub in Mexiko ist und ich – wenn sie wiederkommt – schon auf der langen Reise durch Kanada bin.
Mein Mitbewohner poltert. Der Freund meines Mitbewohners sagt in seiner hohen Frequenzstimme, die die Kraft hat nicht nur durch Holzwände, sondern auch durch mein Trommelfell zu dringen und sich direkt in meinem Nervenkostüm festzusetzen und es mit aller Kraft anzunagen, irgendetwas.
Und sei es auch nur die Namen seiner Hunde: “Rogue! Storm! NO!”
Irgendetwas sagt er. Und das Irgendetwas ist viel zu laut, viel zu hoch, viel zu nervig.

Ich stehe noch einmal auf. Bin müde, wie so oft und will nur noch weg. Das Haus verlassen und ihn niemals wieder sehen. Als ich zur Toilette, die sie hier Washroom nennen, gehe versuche ich nicht zu genervt auszusehen. Falls ich ihnen begegne möchte ich nicht, dass sie denken, dass ich genervt bin.
Eigentlich sollten sie das denken. Aber mein Mitbewohner ist verliebt. Seitdem die beiden sich kennen haben sie jede einzelne Sekunde miteinander verbracht. Nie getrennt.
Von einem Mann, der jeden Tag ein oder zwei Fuckbuddies im Haus hat und ansonsten mit vollgekifftem Schädel laut mit sich spricht, hat mein Mitbewohner sich zu einem Mann, der mittels Babystimme mit seiner Beziehung kommuniziert entwickelt.
Ich mag und verstehe 180 Grad Drehungen in Menschen.
Ich mag meinen Mitbewohner.

Nicht so den kläffenden Köter Storm.
Auf dem Weg zum Badezimmer kläfft er mich an. Will mich aus meiner Wohnung vertreiben. Sieht in mir den Feind. Ich versuche das nicht weiter schwer zu nehmen. Und das ist nicht leicht.

Tofino. Tofino. Tofino.
Klingt es in meinen Ohren.
Von mir selbst erdacht, ausgedacht, erfunden. Mein Mantra.
Die Flucht... die große Flucht aus Vancouver.

Dass ich ganz allein dorthin reise, wo ich meinen Geburtstag verbringe, finde ich nicht tragisch. Lieber allein irgendwo glücklich, als mit Anforderungen an meine Toleranz belastet. Wie jetzt, wenn ich den Raum verlasse. Den einzigen Raum in der Wohnung, den ich mir erobert habe. Zwar durch Geldzahlungen jeden Monat und nicht durch mein Durchsetzungsvermögen... aber immerhin.
“Du bist ja noch hier!”, begrüsst mich der Freund meines Mitbewohners.
“Ja.”, antworte ich einsilbig. Auch weil mir keine andere Silbe einfällt, die ich ihm sagen kann.
“Ich dachte, du bist heute gefahren.”, sagt er mit dieser anklagenden Stimme, die ich verabscheue.
“Nein.”, antworte ich und füge “Gute Nacht. Ich muß schlafen. Mein Bus fährt morgen früh um sieben und ich muss um sechs aufstehen und es ist schließlich Mitternacht.”
“Gute Nacht.”, sagt er nur und widmet sich dann dem noch immer kläffenden Köter Storm.
Ich gehe zurück in mein Zimmer, schließe die Tür und bald auch die Augen und träume micch nach Tofino.

Am nächsten Morgen versuche ich möglichst leise zu sein, damit ich den kläffenden Köter nicht au fwecke. Wenn man morgens erwacht und noch schlaftrunken zur Toilette wankt und in jenem sensiblen Moment, der über den Fortlauf des gesamten Tages entscheidend ist (und JA, ich glaube an die Frage – Bist du heute mit dem falschen Fuß aufgestanden?”)
einen kläffenden panischen erschreckten Köter vor sich hat, dann ist dass... Nun ja... alles andere als eine Freude.
Zumal es vorkommen kann, dass der Freund meine Mitbewohners unbekleidet aus deren Schlafzimmer stürmt, um dem Klläffen ein Ende zu bereiten und es in ein Kläffen von Menschen und Hundenseite ausartet.
Ich bin leise. Der Hund bestimmt meinen Morgen. Er kläfft nicht. Ich packe meine Sache und verlasse leise das Haus.

Tofino. Tofino. Tofino, pfeift es in meinen Ohren und ich lächele, als ich durchs regnerische Vancouver trotte.
Der Busbahnhof ist nur zwei Skytrainstationen entfernt. Selbst im Schlaf würde ich dorthin finden. Das Ticket abgerissen, meine rote Tasche verstaut und im Bus sitzend, atme ich langsam auf. Schließlich und endlich bin ich unterwegs.
Sehe mir Vancouver aus dem Bus aus an. Eine so schöne Stadt. Und seit einer Woche ist mir auch wieder bewusst - oder vielleicht das erste Mal bewusst - , dass ich nicht gehen will. Nicht für immer. Schließlich und endlich habe ich mich doch in Vancouver verliebt.
Aber vielleicht ist es auch anders herum... Vancouver hat sich also in mich verliebt und lässt mich nicht so einfach gehen.

Horseshoe Bay...
Eine halbe Stunde von Vancouver Downtown entfernt fährt die BC Ferry nach Nanaimo. Der Bus wird ganz unten geparkt und die Insassen frei laufend in den Schiffsrumpf entlassen.
Ganz nach oben ist mein Ziel.
An Deck. Dort wo der Wind weht und Luft ist, begegnet mir als allererstes ein kiffender junger Mann.
Das wunderschöne British Columbia, wo ein jeder überall kifft.
Ich lächele ihn an, stöpsele meine Musik in die Ohren und überlasse mich den Wellen und den leeren schönen Gedanken.
Nanaimo zu Port Alberny und dort umsteigen in einen anderen Bus.

Ich habe heute noch nichts gegessen. Wenn man die Banane im Bus, die nun wirklich noch nicht einmal ansatzweise satt macht, abzieht vom Nichts, dann habe ich noch gar nichts gegessen und so mache ich mich bei Port Alberny zum seven Eleven an der Ecke auf und kaufe mir ein Stück Pizza.
Ich verschlinge es im gehen und noch kauend stehe ich Linda gegenüber.
Nach einer Sekunde des Wiedererkennens und der unausgesprochenen Frage, ob man sich kennt, fallen wir einander in die Arme, kichern und freuen uns.

Sie kommt gerade aus Tofino. Ich fahre nach Tofino.
Ein kurzer Wortaustausch, der genau das zum Thema hat.
“Wie geht es Dir?”
“Gut.”
“Das Wetter in Tofino ist wunderbar.”, sagt sie.
“Ich freue mich schon so sehr.”, antworte ich.
Wir haben uns nichts zu sagen, aber kennen uns und habe uns in den Weiten Kanadas in Port Alberny getroffen.

Ich steige in den Bus ein und kann es kaum mehr erwarten.
Tofino.Tofino.Tofino.
Bei der Fahrt durch die Wälder von Vancouver Island wird mir dann und wann ein wenig
schlecht.
Berge und Täler. Gewundene Straßen durch unglaubliche Natur.
Und natürlich verlaufe ich mich dann in Tofino und kann die Jugendherberge zunächst nicht finden.
Als ich dann endlich dort bin, ist zunächst niemand da. Als dann jemand kommt, bekomme ich auf die Frage:
“Hallo. Ich wollte einschecken.”, die Antwort.
“Das kannst du erst gegen vier.”
Und ich lasse meine rote Tasche und meinen Rucksack zurück und gehe zum nahesten Strandabschnitt.
Ich bin schließlich hier um den Pazifik zu sehen.
Von einem Jüngling, der nicht älter als 16 aussieht, aber wahrscheinlich sehr wohll schon 20 ist und dem sehr wohl jeden Tag einige Barthaare wachsen, bekomme ich die von mir abgrundtief gehasste typisch erste Jugendherbergsfrage entgegengeschmettert:
“Und wo kommst du her?”
“Deutschland.”, sage ich.
“Das habe ich mir schon gedacht. Wegen des Akzents.”
Ich sehe ihn verächtlich an und versuche mir meine Tofino Tofino Tofino Aufenthalt nicht jetzt schon zu verderben.

Geradeaus und dann rechts.
Das ist die Anweisung nach der ich mich richte. Simpel genug für jemanden ohne Orientierungssinn. Den Städter, der den Hunger nach Natur verspürt.
Entgegen Lindas Behauptung, dass das Wetter schön sei, nieselt es unaufhörlich. Aber ich komme aus dem Norden. Nieseln hält mich nicht davon ab hinauszulaufen.
Geradeaus...
Ich stapfe an dem Krankenhaus Tofinos, an einer Bäckerei, an einem Spielplatz vorbei und gehe dann rechts den Berg hoch, wo ich dann links ein Schild
“Tonquin Beach” finde.
Es ist eine Tsunami Evacuation Route und die Anweisung, dass falls ein Tsunami passieren würde dort zu bleiben, oder woanders hinzugehen beruhigt mich irgendwie.

Und ich trete ein in einen Regenwald.
Dank meiner Ignoranz hatte ich keine Ahnung, dass es in Tofino echte Regenwälder gibt.Ich dachte, dass diese nur in subtropischen Gebieten auftauchen und nicht in Kanada.
Doch hier ist er und ich stapfe auf einem angelegten Holzpfad durch einen richtigen Regenwald. Ich habe das berühmt, berüchtigte Entdeckergefühl. Hinter jeder Ecke kann der Ozean auftauchen. Zunächst mache ich jedoch von dem Regenwald ein Photo. Oder auch zwei. Oder auch drei. Und da ist er auch schon. Der Strand.
Man könnte von dem Holzpfad herunterspringen und direkt am Strand entlangwandeln. Und genau das tue ich auch.
Zwei weitere Menschen und ein Hund sind zu sehen und ich lasse mir den Regen und den Wind um die Nase wehen.
Das Freiheitsgefühl ist da.
Ich komme aus dem Norden. Ich brauche das Meer.
Das ist eine simple Wahrheit.

Mit diesem Gefühl beseelt gehe ich ein Stückchen weiter. Und tatsächlich sitzen dort drei Menschen. Einer mit einer Gitarre und einem Joint. Eine mit einer Regenjacke und einem selbstverständichen Gefühl und einer, der versucht ein Feuer in Gang zu bringen.
Ich gehe zu ihnen hin.
“Hallo.”
“Hallo.”
“Schön ist es hier.”
“Ja.”
Ich will nicht stören, habe aber das Gefühl zu stören und stehe wohl etwas betreten da.

“Ich bin Laird.”, sagt der Mann mit der Gitarre. Auch ich stelle mich vor.
“Und was machst du so?”, fragt er.
“Ich arbeite in einem Callcenter.”, antworte ich. Wie immer ist es mir unangenehm das auszusprechen, womit ich mein Geld verdiene.
“Das tötet die Seele.”, antwortet Laird und ich kann ihm nur zustimmen und erkläre ihm, dass ich zumindestens einen Menschen am Tag vor den Fängen des Callcenters rette.
Er lächelt und zupft an seiner Gitarre herum.
Er ist aus Irland. Ursprünglich. Die Frau ist aus Kanada und nun ja... der der mit dem Feuer beschäftigt ist, beteiligt sich nicht an der Kommunikation.

Plötzlich unterbricht er unsere oberflächliche Unterhaltung und fragt:
“Hast du vielleicht ein Stück trockenes Papier.”
Ich krame in meiner Tasche herum und finde tatsächlich einen Flyer.
Das Erlebnis in Vancouver Downtown, als ich den Flyer für chinesisches Ballett bekam, flackert vor meinem inneren Auge auf.
Die alte chinesische Dame an der Skytrainstation Stadium, die vielleicht drei Worte engllisch sprechen kann und die mir mittels dieser drei Worte erklärt hat, dass ich unbedingt das chinesische Ballett sehen müsste, hatte mich gerührt.
Nun wird ihre Arbeit und ihre Mühen dazu verwandt ein Feuer in Tofno zu entzünden.
Vielleicht hätte sie es gefreut. Irgendwo. Nachdem sie die Enttäuschung darüber verwunden hätte, dass ich nicht in das chinesische Ballett geganngen bin.
“Ich muss dann mal.”, sage ich und mache mich auf zu dem nächsten Plan...
Kaffee...
Ich finde ein Eiscafe, wo ich mich hinsetze, einen Kaffee trinke und ein wenig lese,
Unspektakulär. Kräfte sammeln. Kräfte schöpfen. Lesen und Ruhe haben.
Aber ich muss einchecken. Ich muss zumindestens mein Bett sichern.

Als ich in die Jugendherberge komme, ist wiederum niemand da der mir mein Zimmer zeigen kann. Und ich setze mich in den Aufenthaltsraum und lese. Sage nett
“Hallo” zu den Menschen und gehe dann eine rauchen, als eine andere auch rauchen geht.
Es stellt sich heraus, dass sie eine deutsche ist, die sich als Irin begreift und mich an die Dokumentation über die Serienmörderin aus Monster denken lässt. Sie hat den Wahnsinn in den Augen. Und wenn man es sagen darf nicht den guten, produktiven, künstlerischen Wahnsinn, sondern stattdessen den wütenden, aggressiven und leeren Wahnsinn. Ich nehme mich vor ihr in Acht.
Als sie mir jedoch was zum Kiffen anbietet sage ich nicht nein. Warum auch. Es ist Tofino. Hier kiffen wahrscheinlich alle.
Wir kiffen einträchtig und ich Höre ihr zu, als sie beginnt mir ihr Leben zu erzählen:
“Ich lebe in Irland und bin da Barkeeperin.” ist der Aufhänger. Und da hat sie mich schon. Ich liebe Lebensgeschichten. Und diese fängt einfach sehr sehr spannend an.
“Ich bin in Köln aufgewachsen. Und später dann nach Irland ausgewandert. Da bin ich glücklich.”, sagt sie. “Eines Tages bekam ich einen Anruf von meinem Vater. Er hat einen Gehirntumor. Hat er mir gesagt. Einen Gehirntumor. Das muss man sich mal vorstellen. Er ist dann zum Arzt gegangen. Und wir haben die Bilder gesehen. Das war viel zu nah dran am Gehirnstamm. Viel zu nah dran, um zu operieren. Und dann ist mein Vater einfach gesprungen.”
“Was?”
“Naja. Wir haben drüber geredet. Und ich bin vollkommen auf seiner Seite. Sie haben ihn zwei Tage später gefunden. Naja. Und jetzt habe ich niemanden mehr. Und jetzt bin ich hier in Kanada.”
“Oh.”
Ich versuche die zusammenhanglose Geschichte in mir zusammenzusetzen, aber es gelingt mir nicht wirklich.
“Du konntest deinem Vater nicht Lebewohl sagen? Er ist einfach gesprungen?”, frage ich.
“Ja. Aber es war ja alles gesagt. Der Hirntumor war viel zu weit fortgeschritten. Da konnte man nichts mehr tun. Und er wusste genau, was auf ihn zukommt. Er hatte eine Lebenserwartung von einem Monat. Aber in dem Monat hätte er seine Sprache verloren, hätte sein Bewusstsein verloren. Er wäre Gemüse gewesen. Und dann ist er gesprungen. Zwischen uns beiden war alles gesagt. Er ist dann gegangen. Später hat mir dann ein Arzt gesagt, dass ich stolz auf meinen Vater sein kann. Und bei der Beerdigung. Also bei der quasi Feier danach habe ich dann seinen Freunden gesagt: Bringt viele Fotos mit und viele Geschichten. Und wir haben uns getroffen und es war ein super Abend.”
Sie zieht ein wenig tiefer an dem Joint und wiederholt:
“Ein super Abend!”
Natürlich weise ich nicht noch einmal darauf hin, dass ihr Vater ihr nicht Lebewohl gesagt hat, bevor er gesprungen ist. Warum sollte ich es auch noch einmal sagen. Die Wunde liegt so derart offen, dass ich nicht darin rühren kann.
“Und jetzt bin ich halt ganz allein. Naja es gibt noch meinen Onkel und meine Tante. Nee. Es ist mein Patenonkel und meine Patentante. Die sind noch da. Und die verstehen auch, warum ich das mache. Ich will hier sein.”
Das aggressive in ihr und die Rastlosigkeit, die mir entgegentreten, lassen mich relativ sprachlos zurück. Sie passt nicht nach Kanada. In ihrer ganzen Art passt sie nicht nach Kanada. Aber vielleicht können die Leichtigkeit und Freundlichkeit dieses Landes ihre Wunden ein wenig heilen. Wenn sie die Leichtigkeit und Freundlichkeit an sich heranlassen kann und nicht weiterhin so wütend durch die Gegend stapft.
Vielleicht hilft auch Kiffen. So wie bei mir.
Ich wanke zugekifft in mein Bett und schlafe wunderbar.
Am nächsten Morgen gegen sieben wache und stehe ich auf. Mit dem Gefühl, dass es ein wunderbarer Tag werden wird.

Mit Zaudern und innerlichem Zittern hatte ich am vorherigen Tag erfahren, dass es keinerlei “complimentary” Frühstück gibt. Was für mich nicht weiter schlimm wäre, wenn es nicht auch gleichzeitig heißen würde, dass es auch keinen Kaffee gibt.
Und so gehe ich mit müden Augen und banger Hoffnung als erstes in die Küche und hoffe, dass auch andere Frühaufsteher zwischen uns sind. Andere Frühaufsteher, die einen Schluck Kaffee für mich übrig haben.
Und Richtig. Es steht ein Rest Kaffee dort und ich frage:
“Kann ich?”
“Aber natürlich.”
Und irgendwie höre ich das Wort Wal in meinem inneren Ohr. Vielleicht sagt es jemand im Aufenthaltsraum. Vielleicht sagt es jemand an der Rezeption. Für mich ein magisches Wort.
“Wal”
Und mit meinem ersten Schluck Kaffee im Magen und Kopf frage ich den netten Perser von der Rezeption, ob es denn schon Wale geben würde.
“Aber natürlich.”
“Echt?”, frage ich ungläubig. Ich, die ignorante, die nur Orkas sehen will, hatte nicht genug Wissen, um eine eventuelle Wal-guck-fahrt, auch nur in Betracht zu ziehen.
“Klar. Grauwale. Und Buckelwale.”
“Kannst du gucken, ob da noch ein Platz frei ist?”
“Klar.”
Der nette Perser an der Rezeption fragt, ob ich lieber in nem Schlauchboot oder in einem überdachten Boot fahren würde.
“Schlauchboot.”, sage ich nur und lächele vor mich hin.
Es ist ein banges Warten, bis der Rezeptionstyp bei der Firma anrufen kann, ob sie einen Platz übrig haben. Und sie haben. Und sie haben und ich mache mich auf.
Wale gucken...
Ich schraube meine Erwartungen auf ein Minimum herunter. Das hat mir letztes Mal schon geholfen.
“Es sieht gut aus. Ein Fischer hat heute morgen einen Buckelwal gesehen.”
“Wirklich.”
“Ja.”

Ich bekomme einen orangenen Ganzkörperanzug, den ich ganz und gar nicht albern, sondern vielmehr höchst praktisch finde. Ein paar Stunden auf See. Ich werde nicht durchfrieren. Praktisch. Äußerst praktisch. Ich werde nicht krank werden.
Nachdem ich meine, wie meine Großmutter es nennen würde, Schicksaalsgemeinschaft kennengelernt habe (Die obligaten Deutschen sind auch dabei. Dieses Mal aus Brandenburg und eine englische Großfamilie. Mama, Papa und vier reizende Kinder) geht es hinaus auf See.
Wir brettern übers Wasser und ich fühle mich in meinem Element. Das Wasser hat mir so sehr gefehlt. Und halten bei dem wohl berühmtestesten Adlernest Tofinos, um einen kurzen Blick zu ihm zu werfen.
Es ist neun Uhr dreißig und die Wolken verziehen sich langsam. Mir persönlich ist jedes Wetter gleich recht. Ich bin auf dem Pazifik und gleich sehe ich einen Wal. Und selbst wenn nicht... Ich bin auf dem Pazifik in einem Schlauchboot und die Zeit hält an.
Die Sonne quält sich hervor und wir beginnen anch Walen Ausschau zu halten..
“Da hinten.”
“Nein. Da hinten.”
“Ach. Das war doch nichts.”
Ich lächele in mich hinein und der Vater der vier Kinder und der Alleinreisende Herr unterhalten sich über Fußball.
Wir kommen zu einer Sandbank, wo uns Stella Seelöwen gezeigt werden und die Deutschen fragen, warum denn hier nicht Deutsch gesprochen würde (wie angekündigt)
Ich ignoriere es und lächele weiter und dann sehe ich das Pusten eines Wales und sehe eine Schwanzflosse da ganz weit hinten.
Und ehrlicherweise hätte ich das nun gar nicht mehr gebraucht. Mir geht es gut. Ich bin auf dem Pazifik und kann nicht genug davon bekommen.
Wir ziehen unsere Kreise. Ich stelle mich nach hinten zum Kapitän (was bedeutet, dass ich über meine Sitzbank klettere und mich zu ihm hinten hinstelle und die Landschaft anschaue)
Bei dem letzten Walgucken hatte ich damit schon eine gute Erfahrung gemacht. Dieses Mal ist es noch schöner.
Ich weiss, dass es in den Wäldern Bären und Wölfe gibt. Ich weiss auch, dass einige aus dem First Nation Reservat ganz allein im Wald leben. Ich weiss, dass es tatsächliche Regenwälder sind und ich bin erschlagen von der Schönheit und dem Frieden und atme ganz tief ein und aus und wieder ein.
Ich bin glücklich. In diesem Moment. Weit weg von allem. In der Freiheit und der Größe und Schönheit.
Als wir wieder ankommen ... fühlt sich der Boden ein klein wenig fester an auf dem ich wandele. Ich weiß, dass es umgekehrt sein sollte. Aber nicht bei mir. Ein wenig meiner Kraft ist zurückgekommen. Meine Kraft sammelt sich und ich gehe die Hauptstraße entlang, um mir etwas zu essen und einen Kaffee zu kaufen.

Ich begegne einem jungen Mann auf der Straße, der mich anlächelt.
Ich lächele zurück und er kommt auf mich zu:
“Hallo. Ich bin Matt. Ich habe dich jetzt schon ein paar Mal gesehen und wir sehen uns sicher noch öfter.”
“Ich heiße Marianne.”
“Schön.”
“Tschüß”
“Tschüß”
Strahlend gehe ich zu dem Oma Kaffee und kaufe einen Kaffee. Trinke ihn dort und gehe dann wieder zurück in die Jugendherberge.

Es sind neue Leute angekommen. Und ich setze mich harrend der Dinge die da kommen mögen in den Aufenthaltsraum.
Einer ist von der Insel und um die fünfzig. Sein Name ist Jim.
“Hallo ich bin Jim. Und Sportlehrer auf der anderen Seit der Insel. Ich wollte nur mal gucken, wie das hier so aussiehtt.”
“Aha.”

Sportlehrer Streit mit der Frau die ihre eltern verloren hat
“ich hasse U2”
Treffen von Matt auf der Strasse
“Hallo ich bin Matt”
Wale gucken mit deutschen
“Sie haben gesagt, sie haeettnn e deutsch Tour. Frag doch mal, ob er deutsch spricht”
Fish and chips an meinem Geburtstag
Nicola, Jonathan und Catherine

Tony auf der faehre
“Du hast ein so schoenes Karma. Ich musste dich kennenlernen.”
“Ich lade dich ein auf Hornby Island”

Emily auf der Rueckfahrt
“Du koenntest dir ne neue Identitaet geben. zum beispiel die Frau mit der Vespa sein.”
“Aber dann muss man dabei bleiben.”
“Stimmt. Du bist dann fuer immer die Frau mit der Vespa”
“Darauf habe ich keine Lust.”
“Ich auch nicht.”

“Ich arbeite jeden Freitag auf der Hastings. Und die Menschen sagen, dass es ganz schoen anzieht. Die zerstoeren die Communnity. Wegen der Olympics..”
“Goodbye Miss Emily”
“Goodbye.”

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