Kleinkrieg oder kein Kleinkrieg

Der Kampf mit den Chinesen hält an.

Und doch ist es ein kalter Kampf, wo wir beide wissen, dass ich einerseits viel zu viel Geld bezahlt habe („They totally ripped me of.“)
und sie mich andererseits so schnell als möglichst aus dem Haus haben wollen.

Der Abend der Konfrontation steht mir noch bildhaft vor Augen.

In der Küche steht der Mann rechts neben mir und die Frau schräg links vor mir. So dass ich mich entweder nur zu ihm oder zu ihr wenden kann. Trotzdem reden beide auf mich ein und sagen mir in einem extrem lauten, verletzten Ton:

„Es ist okay, wenn du gehst. Das ist total okay, wenn du gehst. Wir können das verstehen. Es ist ja auch nicht genug Platz für uns da. Und auch wir hören die Leute da oben.“

und ich sage:

„Ich möchte euch nicht verletzen. Aber...“

Ich glaube das „Aber...“ und mein Wunsch die Gründe zu offenbaren waren das eigentliche Problem. Ich hätte die Klappe halten sollen. Einfach den Mund halten sollen. Einfach nüscht sagen und lieb lächeln.

Ich kann es mir nicht anders vorstellen, als das sie sich verletzt fühlen. In ihrem Stolz und in ihrem Wunsch gute Gastgeber zu sein. Das ich ihr Heim nicht hoch genug schätze und ihre Gastfreundschaft mit Füßen trete. Dabei spreche ich nur objektive Tatsachen aus...
Vielleicht ist es ja auch so, dass sie selber gern die Freiheit hätten zu gehen, dass sie aber verpflichtet sind zu bleiben, weil es das Haus von den Eltern des Mannes ist ...
Das dieses Haus unglaublich viel Geld kostet und es nicht sauberzuhalten ist, wenn man einen richtigen Job hat und jedes Wochenende zum Haus des Mannes fahren muss, um den Eltern zu helfen.

Und immer wieder versuche ich sie zu verstehen, zu entschuldigen ...
Es ist nicht vertretbar 500 Dollar pro Monat zu bezahlen und dafür eine auslaufende Toilette, eine ekelhafte Dusche und ein abgeranztes Bett zu bekommen. Sie schrieben in einer Mail, dass sie mir Bettwäsche zur Verfügung stellen würden. Die Bettwäsche (die ich Gottseidank nicht brauchte) bestand in einem höchstwahrscheinlich Jahrelang nicht gewaschenen Schlafsack und einem kleinen dunkelblauen Laken, was ich mir höchstwahrscheinlich über das Kopfkissen hätte wickeln sollen.

Zurückhaltung und Lächeln. Ganz so, wie sie es tun. Die Aggressionen und den Ekel nicht rauslassen. Sich in seinem Zimmer zu verschanzen oder schlichtweg spazieren gehen, wenn sie nach Hause kommen. Es auszuhalten.
Jedweder Konfrontation aus dem Weg gehen und sich nur im Stillen ekeln, dass die Toilette wieder einmal hochgeklappt ist und man am liebsten mit Gummihandschuhen den Toilettendeckel herunterklappen würde.

Sich nur im Stillen ekeln, wenn man das Fenster mal ein klein wenig weiter öffnen muss, da die chinesischen Gewürze, die das ganze Untergeschoss durchströmen doch ein wenig zuviel für die europäische Nase sind und dort alles nicht nur braun sondern schwarz vor Schmutz ist.
Zwar vor Schaudern zurückschrecken, wenn man die alte Zahnbürste sieht, mit welcher das Geschirr (bevor Ambellina eine Spülbürste für einen Dollar gekauft hat) abgespült wurde, aber sich kurz danach wieder fangen und an so etwas spektakuläres wie einen Wal oder einen Waschbären oder Whistler zu denken.

Oder aber ...
sich auf den letzten Metern noch einen kleinen Witz erlauben und im Ein dollar shop einen pinken Aschenbecher zu kaufen, worin „Rock the World“ geschrieben steht und ihn an präsentabler Stelle aufzustellen.

Ich werde ihn vergessen. Ich werde ihn einfach vergessen...Der pinke Aschenbecher wird mein Überbleibsel werden. Und sie sind zu geizig, um ihn einfach wegzuschmeissen. Meine kleine private Rache an Leuten ohne Humor.
Da fällt mir gerade ein, dass sie den Staubsauger (welcher gewiss aus den siebzigern ist) bei den Eltern gelassen haben. Wie ich staubsaugen soll, wird wohl noch ein Abenteuer...aber man kann wohl alles mit der Zahnbürste reinigen? Im Zweifel?

Vielleicht zwingen sie mich auch die von Staub überzogenen Jalousien zu reinigen?
Oder die zuvor nicht ausgewaschenen Schränke, zu wischen?
Dann ist es doch viel schöner von einer lesbischen kanadischen Millionärin adoptiert zu werden.
Obwohl ich da auch nicht so sicher bin, wohin das führen wird.
Der Schock von heute morgen, wo sie in einer Mail schrieb, dass wir erst am Samstag einziehen können, da der Holzfußboden noch mit einem Firniss besprüht und einwirken muss, legte sich, als ich anrief, ihr die Unmöglichkeit des einen Tages Verlängerung in dem jetzigen Hause schilderte und sie meinte:

„In welches Haus stecke ich euch denn dann?“ und laut darüber nachdachte. „Ach – ihr kommt einfach in das Haus in Vancouver West. Da ist dann auch gerade mein Gärtner. Der kann euch aufmachen. Und ihr hängt dann da rum und entspannt euch!“


Das Leben ist ein Roman – manchmal ...
Und eine Steuernummer habe ich und ein Canadisches Telefon. Und heute wurde ich das erste Mal von einem Touristen nach dem Weg gefragt...

Ich glaube, ich beginne Vancouver tatsächlich zu mögen.


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