Club 23, ein "Crossdresser" und sein Scooter
Es gibt eine Internetseite, die "germansinbc" heisst und auf die ich ab und an mal zurückgreife, wenn ich nichts weiter zu tun habe und wenn ich mal wieder sehen möchte, ob in Vancouver tatsächlich Menschen mit Germanistik und Soziologie Kenntnissen gesucht werden.
Was bislang nicht wirklich der Fall war (weswegen ich ab Mittwoch wieder einen dämlichen Fotografinnenjob an einer coolen Location - nämlich dem Aquarium antreten werde) -
Jedenfalls hat auf dieser Seite eine gewisse Anna eine Anzeige aufgegeben - mit dem Wortlaut:
"Gibt es in Vancouver noch jemanden, der mal was unternehmen möchte?"
Nun - ich habe mich gemeldet.
Letzte Woche ein Bier und diesen Samstag eine achziger Party.
Jedenfalls wurde es mir von Anna auf fogende Weise angekündigt:
"Gut - gut. Es ist schon im schlimmsten Viertel. Aber sooooooo schlimm ist es nicht. Ich meine. Letzte Woche war ich da allein. Auf ner Fetisch Party. Das ging auch."
Und als wir dann über die Hastings/Ecke Cordova spazieren und links und rechts die Obdachlosen und Junkies herumliegen, sage ich nur zu Anna:
"Das darf ich meiner Großmutter niemals erzählen. Aber sie würde beruhigt sein, wenn sie wüsste, dass ich mit einer einsfünzig grossen und 45 kg schweren Frau mit langen blonden Haaren und schwarzem Minirock hier entlangwandere. Du kannst doch Karate?"
"Ich? Karate?! Klaaaaaar...
Aber jetzt mal ehrlich - soooo schlimm ist es nicht. Die Junkies tun doch nix."
Und tatsächlich tun sie nichts. Tatsächlich liegen sie nur herum und ich habe zwar ein mulmiges Gefühl und bereite mich innerlich die ganze Zeit darauf vor einer entweder herumliegenden oder wie eine Pfeilspitze auf mich heranzischenden Spritze auszuweichen. Aber ... nichts passiert.
Und als wir die Identitätskontrolle hinter uns haben:
"JA- ICH BIN SCHON NEUNZEHN!" und den Eintritt bezahlt haben "ICH HABE KEINE AHNUNG, WARUM ICH "familiar" aussehe!", können wir uns bei Heini dem etwa fünfzigjährigen Barkeeper ein Bier oder Smirnoff oder was auch immer bestellen und es uns auf der Ledercouch gemütlich machen.
Irgendwie erinnert es mich an das Body&Soul aus guten Zeiten. Wanzige Tische, Ledercouches und weil achziger Party an jeder Ecke ein Arkade Spiel, dass von den sich anscheinend schon länger in der Location befindlichen Nerds, mit grosser Ausdauer gespielt wird.
Ansonsten könnte der Club auch in Berlin sein. Mit denselben Leuten, mit derselben Musik, mit derselben Atmosphäre. Er könnte sogar in Lübeck sein. Mit denselben Leuten, mit derselben Musik, mit derselben Atmosphäre.
Anders ist es dann nur, als ich zum Rauchen auf die Hastings trete, mich umgucke und links und rechts heruntergekommene Strassenzüge sehe.
Als ich dort stehe, ne Kippe rauche und mir wieder bewusst mache, dass ich gerade in Vancouver bin und nirgendwo anders.
Ein ca fünfzigjähriger Mann mit einem pinkfarbenen Rock, einem roten zerissenen Tanktop, bunten Strümpfen und wilden schwarzen Haaren schliesst gerade sein rosafarbenes und mit vielerei Barbiepuppen verziertes Fahrrad an, kommt dann auf mich zu - sein Joint hängt lässig im rechten Mundwinkel, lächelt er mich an.
"Feuer?", frage ich.
Er nickt mich an und ich kann den Humor - oder Irrsinn wie man es auch immer nennen mag - in seinen grossen strahlenden Augen sehen.
"Ich mag dein Outfit.", sage ich. Und meine es genauso. Ich mochte schon immer Menschen, die anders sind. Nur ein kurzer Aufschrei meinerseits: "Ohhhh... Eine Betty Boop Tasche - Cool!" Diese kurze Aufschrei Sache habe ich glaube ich schon ein wenig kultiviert, denn es ist hier tatsächlich ziemlich amerikanisch, so dass man schonmal auf der Strasse angehalten wird und einem gesagt wird: "Ich mag deine Tasche." -
Also ein kurzer Aufschrei und ein nettes Geplaudere mit dem Crossdresser, der sich mir kurz danach als Daniel Diehl vorstellt.
Er reicht mir seine mit blauem und rotem Nagellack beschmierte Hand, macht eine Verbeugung vor mir (nachdem ich ihm erklärte, dass ich Deutsche sei) und meint:
"Daniel Diehl ist ein beschissener Künstlername. Vielleicht nehme ich den von meinem Grossvater väterlicherseits an. Der ist nämlich Mellville"
"Verwandt mit dem Moby Dick Melville?"
"Nein." Er lacht "Leider nein."
Er zieht an seinem Outfit herum und meint dann:
"Ich dachte heut wäre "Fetish Night". Aber es ist ja achziger Party. Aber vielleicht - nein Be-Stimmt hätte ich mich genauso angezogen."
Wir plaudern über Hollywood und über Vancouver und er erzählt, dass er die grosse weite kanadische Welt bereist hat und nächste Woche nach Ontario aufbricht. Dort sei seine Familie daheim. Und es sei auch kein Wunder, dass er einen Rock anziehen würde, da er fünf Schwestern hätte.
Ich mag Daniel und als ich wieder in den Club gehe und noch ein paar Stunden weiter den langweiligen Gestalten zusehe, die sich nicht bewegen und die nicht wirklich so amüsant sind, wie ich mir erwartet habe und es immer mehr Lübeck wird und gar nicht mehr Vancouver ist, sage ich zu Anna:
"Wäre es schlimm, wenn ich jetzt ginge?"
"Nein. Nein. Das ist nicht schlimm."
Ich habe dunkel im Blick, dass mein 135er Bus gleich fährt und so mache ich mich auf - doch als ich auf die Strasse trete, sehe ich Daniel wieder, der dort mit zwei abgehalfterten Frauen steht und wieder einen Joint raucht.
Wieder geraten wir in ein Gespräch und für mich stellt er sich als relativ harmloser Irrer - ein Künstler eben - dar und so verabrede ich mich mit ihm für den nächsten Tag auf einen Kaffee Downtown.
Er will mir seinen Scooter zeigen. Wenn ich sein Barbiefahrrad schon cool fände, dann würde ich bei seinem Scooter schlichtweg ausrasten.
Und so fahre ich dann am nächsten Tag gegen halb vier Richtung Downtown und treffe ihn vor der Downtown Bücherei.
Ich sitze auf den Stufen, als er mit seinem mit allen Flaggen, Donatello von den Ninja Mutant Hero Turtles und allerlei anderem nutzlosen, kitschigen, verfilztem popkulturellem Schnickschnack anfährt.
Es ist ein grosses "Ahhh" auf den Stufen, ein Tourist fragt: "Darf ich ein Foto machen?" und Daniel grinst mich an, setzt sich in Pose und sagt: "Selbstverständlich!"
Dann bekomme ich einen Helm der überall mit der kanadischen Flagge beklebt ist (Für den Canada Day) und schon rauschen wir durch Vancouver. Über die Brücke nach Granville Island und sitzen in einem Café und trinken einen Kaffee.
Daniel tanzt und singt und redet ohne Unterlass und nach etwa einer Stunde hat sich mein Interesse gelegt und ich beginne mich ein wenig zu langweilen ...
"James Cagney ist der Coolste."
"Ich wohne nicht weit von hier - willst du mal mein Appartement sehen? Ich male die abgefahrensten Bilder schlechthin..."
" Ich lade mir jetzt alle Filme herunter ... alte und neue."
"Ich finde ja Bogart den besten überhaupt."
etc. etc.
Und irgendwie bin ich froh ( obwohl Daniel sagt: "Schade ist es, dass ich jetzt zwei Wochen weg bin."), dass ich ihm sagen kann:
"Ich bin deutsche. Ich gehe nicht mit einem fremden Mann ins Appartement" und irgendwie bin ich auch froh, dass er zwei Wochen nicht da ist...
Aber Spass hat es gemacht ...
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1 Kommentar:
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