the two bitches

Jeden verflixten Tag klingelt mein Wecker gegen vier Uhr dreissig. Ich stelle ihn auf “Schlummermodus” und dämmere noch ein wenig vor mich hin. Zumeist bis gegen fünf.
Irgenwann wälze ich mich dann aus dem Bett, trinke meinen Kaffee, hetze zur Skytrain und bekomme den 98er Bus richtung UBC gegen 5 Uhr 45.

Zu einem Job, den ich nicht mag, Einem Produkt an das ich nicht glaube und
Kollegen, von denen mir zwei das Leben zur Hölle machen...
Moral, die weit entfernt hinter dem Horizont gelegen ist und nicht unbedingt auf ältere Menschen der Welt angewendet werden muss.

Stephanie brüllt in den Hörer:
“Sir! Sie müssen mich nicht anbrüllen.”
Das sagt sie in diesem Ton, der mir vollkommen auf die Nerven geht und ich murmele vor mich hin:
“Das könnte man auch netter sagen. Ich würde mir nicht erlauben solcherart mit Kunden zu reden. “
Aber naja. Ich bin auch teilweise in nem Hotel aufgewachsen und wann immer mein kleiner Cousin, mein großer Bruder und ich den Gästen Streichen gespielt haben, kam die “Kein Humor Grenze” zum Tragen. So weiss ich tief in mir drinnen: “Der Kunde ist König”
Andererseits... Wenn mich ein Kunde anbrüllt, warum sollte ich ihm nicht sagen, dass er mich anbrüllt und ihn fragen, ob er damit gefälligst aufhören könnte.
Ich bin noch immer unentschlossen, ob ich das tatsächlich sagen könnte ... Wenn dann in einem höflichen Ton, als Stephanie schon neben mir steht.
Ganz nah.
Was bedrohlich ist, weil sie nicht nur unglaublich groß sondern auch unglaublich dick ist. Gemeinsam mit ihrer körperlichen Erscheinung kommt das beleidigte Gesicht und eine laute Stimme.
Diese drei Dinge lasten nun auf mir, denn sie sagt zu mir:
“Marianne...”, dabei fasst sie mich an (es soll wohl ein beruhigendes auf die Schulter klopfen sein – ich schrecke zurück.)
“Meine Kunden mögen mich und wenn ich mit einem Kunden solcherart rede, dann hat das einen Grund. Ich kenne ihn schon lang und wir scherzen dann immer.”
“Aha.”, sage ich mit grossen Augen und denke, daß mir die anderen Mitarbeiter etwas vollkommen anderes über sie erzählt haben und ich auch einen vollkommen anderen Eindruk von ihr habe. Eher den Eindruck, als würde sie sich nicht darum scheren, wer in ihren Weg gerät.
“Da musst Du nicht laut durch den Raum rufen, dass ich so nicht mit Kunden umgehen darf.”
“Ich habe keine Wertung abgegeben. Ich habe nur darüber nchgedacht. Und ehrlicherweise... Ich würde mit einem Kunden auf diese Weise nicht reden!”
“Naja. Das bist du. Und nicht ich.”komme noch i, sagt STephanie und ich kann ihr nur zustimmen.
“Das bist du und nicht ich.”
Die Bedenklichkeit ob ihrer physischen Präsenz bleibt... Sie könnte mir einige Verletzungen zufügen, während ich als Schwächling keine Chance hätte.
Ich diskutiere mit ihr so konstruktiv, wie ich kann und eröffne ihr schließlich, dass ich es gewohnt sei in einem Team zu arbeiten. Dass ich gewohnt sei aus der Arbeit das beste zu machen und mit meinem Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern eine positiive Stimmung herzustellen. Das sei hier alles nicht der Fall.
Meine direkten Kollegen – die Orderverifier – sind kein Team.
Ich sage nicht:
“Und das ist Deine Schuld”, obwohl ich es denke.
Wir reden. Was bedeutet, dass sie redet.
Wir söhnen uns aus. Was bedeutet, dass ich die Klappe halte.
Sie lächelt mir zu. Was bedeutet, dass ich zurücklächele.”

Mir flutscht der süffiisante Kommentar hinaus: “Wenn auch sonst keiner mit mir redet.” und
als ich nach der Szene zur Pause gehe und als ich dann unten vorm Gebäude stehe und eine Zigarette rauche wird mir klar, dass ich mit Denize reden muss.

(Denize, die mich zwei Monate nicht darüber aufgeklärt hat, dass sie den Spitznamen den sie am Telefon hat nämlich Daniella auf den Tod hasst und die mich, wenn ich sie häufiger am Tag mit eben diesem ihr so verhassten Namen angesprochen habe, nur einsilbig mit einem abweisenden Gesichtsausdruck geantwortet hat – mir aber NICHT gesagt hat: “Du. Ich heisse Denize und den Namen Daniella habe ich nur am Telefon.”)

“Ich glaube wir müssen reden.”, sage ich zu Denize.
“Gut.”
“Ich wollte Dich nur fragen, was los ist. Du grüsst mich nicht. Du redest nicht mit mir. Du ärgerst alle anderen nur nicht mich. Du lachst mit allen anderen. Nur nicht mit mir. Warum.”
“Du bist seltsam.”
“Wie seltsam.”
“Du redest mit dir selbst.”
“Was?”
“Wenn Du den Hörer aufgelegt hast, dann redest du mit dir selbst. Und ich verstehe das meistens nicht.”
“Aha.”

Ich muss zugestehen, dass ich gemein bin... Dass ich bei diesem Gespräch schon weiß, dass Denize ein bisschen beschränkt ist. Und ich sie nur ihre Wahrheit aussprechen lassen will. Ich will nicht länger im Dunkeln tappen.
Weiß, dass Denize mich nicht mag und weiß, dass sie nicht an mir interessiert ist. Nicht als Person. Ich bin uninteressant.

Aber sie bekommt meinen ganzen Respekt, als sie es dann ausspricht:
“Du interessierst mich einfach nicht. Du hast eine andere Art des Denkens. Du bist anders. Und das finde ich furchtbar. Und anstrengend.”
Sie setzt zu einem langen Monolog an, worin sie mir genau erklärt, warum sie und ich nicht zusammenpassen und ich höre ihr genau zu.

Das was ich denke ist nur:
“Jetzt hast du es ausgesprochen. Jetzt liegt es im Offenen. Jetzt ist es Existent.”
Und das was ich weiter denke ist arrogant – ich sage es nicht. Ich halte die Klappe. Sage nichts von dem, was ich denke. Mein kleiner Monolog...

Du bist relativ dämlich und ohne allzu persönlich zu werden... Menschen die zu früh aufhören zu fragen, nachzufragen, sich zu interessieren... sind diese Menschen intelligent genug, um Gerichtsmedizinerin zu werden? Und das willst du nicht wahr? Weil Dein Vater – der Polizist – Dich einmal mitgenommen hat in eine Leichenhalle. Und du beeindruckt warst... Und du deinen Vater beeindrucken willst.
Aber Phantasie und die Neugier gehen Hand in Hand mit Intelligenz.
Du denkst, dass Du mich kennst und Du kennst noch nicht einmal einen winzigen Bruchteil von mir. Wenn dieser bereits reicht, um sich eine Meinung zu bilden, dann kann ich nur daraus schliessen, dass Du relativ dämlich bist.
Wenn ich sehe, wie du die anderen Mitarbeiter behandelst. Wie wenig Du dazu in der Lage bist Dich einzufühlen und andere zu verstehen.
Wenn ich Dich beobachte und Du so schnell ein Urteil über andere fällst – mit dieser Arroganz, die Du durch nichts verdient hast, wird mir übel.

Ich sage nichts.
Ich halte die Klappe.
Weil...
wofür wäre das gut...
Vielleicht mache ich es an meinem letzten Tag.

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Soso, Du hast also eine andere Art des Denkens...wie kannst Du nur ;-)

LG aus London,
Rebecca